Seit 2013 ist das Kochareal in Zürich Altstetten besetzt – und seitdem ist es der Versuch einer konkret gelebten Utopie. An keinem anderen Ort in dieser Stadt treffen politischer Widerstand, Gegenkultur und Lebensentwürfe unterschiedlichster Art so konzentriert aufeinander. Das Kochareal ist ein unkommerzielles Epizentrum von selbstbestimmter kultureller und politischer Organisation in Zürich und über die Stadt hinaus. Ein Raum, in dem Kultur, Zusammenwohnen und Gemeinschaft frei von ihrer ökonomischen Verwertbarkeit ausprobiert werden – selbstorganisierte Wohn-Communities leben neben und mit Projekten mit öffentlichem Anspruch. Auf dem Areal befindet sich eine, sich immer weiter entwickelnde, solidarische Infrastruktur mit Bar- und Konzertraum, Kino, (Sieb-)Druckerei, Velowerkstatt, Grossküche, Trainingsraum und vielem mehr. Das Koch ist ein Ver_Lernraum, ein Ort an dem Wissen geteilt und vielfältige radikalpolitische Praxis organisiert wird. Über 100 Menschen leben hier mit ihren unterschiedlichsten Ansprüchen und Perspektiven und im ständigen Verhandeln der Möglichkeiten und Grenzen solidarischer Gemeinschaften.
Selbstverständlich existiert das Kochareal nicht ausserhalb gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Auch hier wirken unter anderem patriarchale und rassistische Dynamiken. Diese Dynamiken treffen im Koch aber auf die Möglichkeiten, sich mit den Machtstrukturen aktiv auseinanderzusetzen und sich gemeinsam zu organisieren. Sehr oft war das Kochareal mit dem Scheitern des Sozialsstaates konfrontiert: Wer durch die Maschen fiel, kein Aufenthaltsrecht besass oder sonst irgendwie nicht “funktionsfähig genug” war, fand nicht selten den Weg hierher. In vielen Fällen haben die Menschen auf dem Kochareal ein unterstützendes Umfeld gefunden – aber nicht immer. Zu gross sind die Effekte der sozialen Ungleichheiten dieser Gesellschaft, als dass ein Projekt wie das Koch allein sie auffangen und bearbeiten könnte.
Der Versuch der gelebten Utopie ist mühsam und zermürbend, befreiend und ermächtigend. Vor allem aber ist er notwendig!
Es brodelt in der Stadt
Während die Ästhetik und Praxen autonomer, unkommerzieller Räume reichlich für kommerzielle Zwecke angeeignet und für eigene kapitalorientierte Umsetzungen genutzt werden, muss das Koch immer wieder für bürgerliche Kritik hinhalten. Immer wieder wird darauf rumgehackt: Das Koch sei eine Ansammlung von Nichtsnutzen, die der Gesellschaft nur zur Last fallen und stören. Doch wer fällt dieser Gesellschaft eigentlich zur Last? Es sind die Vermögenden, die ihr Geld nur für sich behalten wollen. Es sind die Immobilienbesitzenden, die sich an steigenden Grundstückpreisen bereichern und von der steigenden Ungleichheit profitieren. Diese Menschen sind die direkten Profiteure der Ungleichheit. Durch ihre Investitionen in den Immobilienmarkt wird die Teuerung der Bodenpreise und Mieten befeuert, sodass immer mehr Menschen in prekären Wohnsituationen leben oder gar ihren Wohnort ganz verlassen müssen, obwohl sie hier leben und arbeiten. Willkommen in Zureich.
Die Teuerung geht Hand in Hand mit dem stetigen Voranschreiten der Gentrifizierung. Die Folgen für die Menschen sind unzumutbar, doch das lässt die rot-grünen Realpolitikerinnen kalt. Ist man in seinem Umfeld mit günstigen Genossenschaftswohnungen versorgt, dringen die Rufe von der Wohnungsnot nicht durch die Minergie-Mauern. Zu einfach ist die Ausrede, dass einem halt die Hände gebunden seien und die Stadt sich gegen private Akteurinnen schwer behaupten könne. Doch die Geschichte des Kochareals beweist das Gegenteil – als die Stadt 2013 plötzlich per “dringendem Geschäft” für 70 Millionen Franken Land kaufen konnte, zeigte sich, dass es nicht an den Mitteln fehlt, um Land aus den Händen privater Investoren zu nehmen. Wenn die Stadt die Wohnungsnot bekämpfen wollen würde, wäre es möglich! Das Recht, Profite durch Boden und Immobilien zu erwirtschaften, kommt nur den Reichen zu gute. Es ist Zeit, endlich Lösungen für die Wohnungskrise umzusetzen, die wirklich etwas verändern: Enteignung und Kollektivierung.
Sie glauben, es sei schon gar
Die bürgerliche Presse feiert unterdessen die These, dass das Besetzen von Häusern wohl aus der Mode gekommen sei. Durch all die staatlich geförderten Zwischennutzungen sollen Besetzungen angeblich gar nicht mehr nötig sein. Zwischennutzungen können wichtige Räume sein, aber sie kommen mit ihrem vertragsgebundenen Status was Autonomie und Freiheit von ökonomischen Zwängen angeht an Grenzen, die Besetzungen umgehen können. Zudem sind sie eine von der Stadt geförderte Weise, um Immobilien vor Besetzungen und komplett selbstbestimmter Nutzung zu schützen.
Dass die Anzahl Besetzungen in den letzten Jahren zurückgegangen ist, hat jedoch mitnichten damit zu tun, dass weniger Menschen es wagen, Wohneigentum in Frage zu stellen. Es ist nicht so, dass weniger Häuser leerstehen würden. Es liegt daran, dass die Stadtpolizei Zürich schon seit Jahren auf ihr sogenanntes “Merkblatt Hausbesetzungen” pfeift: Besetzte Liegenschaften werden geräumt, auch wenn sie seit Jahren leer stehen und eine praktische Nutzung in weiter Ferne liegt. Zudem werden die Hausbesitzer*innen von der Polizei aktiv dazu gedrängt, mit dubiosen Zwischennutzungsfirmen einen Grund für eine gewaltsame Räumung zu schaffen.
Wir haben noch lange nicht fertig gekocht!
Die beschriebenen Zusammenhänge rund ums Kochareal zeigen die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit autonomen Räumen und deren Bedeutung auf. Wer bestimmt über Raum und Nutzung? Wer profitiert von Ungleichheit und wer schaut weg?
Auch wenn das Koch eines Tages nicht mehr sein sollte: Wir bleiben und kämpfen weiterhin für autonome Räume! Denn sie sind Orte, an denen Menschen wohnen und sich kulturell oder politisch betätigen können – ohne Fremdbestimmung durch Profiteure und die Stadt. Wir fordern keine Legalisierung dieser Räume, sondern die Anerkennung ihrer Notwendigkeit. Und die Forderungen der autonomen Räume werden nicht ungehört bleiben.
Wir bleiben in dieser Stadt, wir bleiben zentral und wir lassen uns nicht verdrängen, auch wenn die Repression immer stärker wird!
Alles wird gut besetzt!
Der Kampf um Stadt geht uns alle an, deshalb rufen wir zur aktiven Teilnahme an dieser Kampagne auf! Mached Sache! Besucht die Veranstaltungen zum Thema, macht eigene Aktionen und setzt viele Zeichen gegen die Aufwertung und Verdrängung in euren Quartieren!
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